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Auffahrt, das Tor zur Freude

Walter Hostettler, Bern, 1962-1998 Obergärtner auf dem Schosshaldenfriedhof

Ganz abgesehen von den christlichen Geschehnissen vor über zweitausend Jahren und der jahrhundertlangen Tradition: ich glaube, Auffahrt kann nur im Frühling geschehen. Es ist das Fest des neuen bewusst gewordenen Lebens, das aus der Düsternis des langen Winters zu neuem Leben erwacht. In keinem anderen Monat wäre Auffahrt so leicht und so fröhlich zu feiern wie gerade im Mai. Wie es die Christen jenseits des Äquators machen, das weiss ich nicht. Vielleicht haben sie, denen der Mai in den Herbst fällt, es im Gegenteil nötig, noch einmal vor der kalten Jahreszeit ihre Gedanken auf die Himmelfahrt Christi zu richten, um dort Trost und Hoffnung zu finden. Ich weiss es nicht. Jedenfalls bin ich froh, dass bei uns das Auffahrtsfest in den Mai fällt, denn dieser Monat kommt mir vor wie ein Tor in eine andere Welt, wie das Vorspiel zur grossen sommerlichen Symphonie, das Präludium zum sonntäglichen Festgottesdienst.

Die Erde hat ihr Festtagskleid angelegt, es duftet von Veilchen und Narzissen, die Lüfte klingen von Vogelliedern, auf den Wiesen weiden Mutterschafe mit ihren neugeborenen Kindern. Neue Hoffnung und Zukunftsfreude erfüllen die Welt. Dem kann man sich auch als Mensch nicht entziehen. Auch er vergisst seine Ängste, seinen Kummer, auch er ist von neuer Hoffnung erfüllt. Er zieht sein neues Frühlingskleid an und es schleicht sich neue, wieder erwachte, fast verschüttete Freude zaghaft in sein Herz.

Auffahrt ist das Schlüsselloch zur Freude. Lasst uns das Tor aufschliessen und in die Welt der Freude ziehen. Die Zeit sei nicht danach? - sagen Sie? Gewiss nicht. Keine Zeit ist je allein nur für die Freude gemacht. Aber jede Zeit hat ihre ganz besonderen Freuden, ihren eigenen, tiefen Grund zur Freude. Einfach indem sie ist und dass wir sind, das allein ist schon Anlass zur Freude. Zur Freude trotz allem!

Das Leben ist ein Wunder, ein nie ganz zu begreifendes, unerhörtes Wunder. Was alles geschehen musste, bis zum allerersten Mal vor Jahrmillionen das Leben zustande kam, das hat auch die Wissenschaft noch nicht erhellen können. An diesem Wunder haben wir alle teil, jeder Mensch ist ein wunderbar zusammengefügtes Ganzes, eine Einheit von Leib, Seele und Geist, von Bewusstem und Unbewusstem, begabt mit Denken, Fühlen, Handeln, mit Sprache und schöpferischen Möglichkeiten, die weit über ihn hinausreichen und die er gar nie alle verwirklichen kann, ja um die er oft gar nicht weiss. Alles ist Wunder in dieser Welt. Ein Wassertropfen enthält Millionen von Lebewesen, immer andere, je nachdem von wo er stammt. Ein Wassertropfen des Mittelmeeres ist anders beschaffen als einer aus der Nordsee oder aus dem Rhein, der Wolga, dem Roten Meer, dem Mississippi. Und jeder ist ein Wunder. Jeder nährt und erhält sich und seine Welt, hängt von seiner Umgebung ab, ist verflochten mit dem grossen Ganzen, von dem auch wir ein Teil sind. Wunder über Wunder! Und da sollten wir nicht nachdenklich uns stille werden und uns freuen über diese einmalige Welt, der auch wir angehören? Uns freuen trotz allem Leid, in das auch wir verstrickt sind, das uns quält, uns schlaflose Nächte beschert? Trotzdem? Ja trotzdem! Auffahrt ist das Schlüsselloch zur Freude - für uns alle.


Muttertag - Meine Gedanken aus der Sicht eines Kindes

Walter Hostettler, Bern, 4. April 2004

"D Mueter", Mutter sei schon sehr wichtig und der Vater auch. Wer es den Eltern möglich mache lieb und gut zu sein. "De lieb Gott", die Antwort. Mich hat die spontane Antwort ergriffen, wer und was in einem jungen Leben an erster Stelle stehe. Die Mutter natürlich! Sie ist die Nächste, die Liebste, die Mutter die es morgens küsst, für alle kocht und schafft und abends die Gutenachtgeschichte erzählt. Wohl deshalb ist es selbstverständlich, dass gar alles, sogar der liebe Gott, nur über die Mutter erreicht werden kann.

Ich hatte das kleine Erlebnis vor dem Muttertag! Es hat mich inspiriert, etwas sehr Schönes über die Beziehung zwischen Mutter und Kind zu sagen. Wenn ich es heute tue, freut sich vielleicht manche Mutter, die zwar kein Geschenk, keine Blumen zu ihrem Ehrentag bekommt, aber dennoch daran glaubt, dass die Saat der Erziehung, der Liebe und Fürsorge aufgeht. Das kann manchmal lange dauern, aber wer Geduld hat und gut beobachten kann, weiss um die oft scheuen, unbeholfenen Zeichen der Zuneigung, des Dankes. Sehr wahrscheinlich habe ich der Mutter daheim kaum je ein Kompliment gemacht. Das war bei uns eben nicht üblich.

Findet jemand, es sei eine gar einfache Geschichte, die ich hier erzählt habe? Gewiss, sie macht keine Schlagzeilen. Das kleine Erlebnis will ja nur zeigen, dass es nicht stimmt, wenn gesagt wird, die Kinder seien undankbar, sie würden alles als selbstverständlich annehmen und sich bald von der Mutter abwenden. Das Beispiel zeigt, dass Kinder den Zugang zu Gott finden, indem sie sozusagen Manss nehmen an ihren Müttern, die wirklich seine Güte, seine Liebe verteilen. Gott kann man nicht sehen, nicht berühren, wohl aber die Mutter. Das war es, wie es ein Kind einfach erklären konnte. "D Mueter" ist ihm Inbegriff alles dessen, eben alles Gute! Ist das nicht schön?